Fußabdrücke| Wie nachhaltig ist ein Weingut?

31 August 2023

Nur durch die Messung der Treibhausgasemissionen der gesamten Produktionskette, sowie der Menge an Kohlendioxid, die im Boden „gebunden“ wird, kann der Weinsektor eine glaubwürdigere Vorstellung von Nachhaltigkeit mit konkreten Maßnahmen untermauern.

Wie kann ethisch korrektes Handeln im Geschäftsleben definiert werden? Die Beantwortung dieser Frage ist weniger ein individueller Wunsch des Unternehmers, als vielmehr ein Diktat der modernen Gesellschaft, die zunehmend gegenüber den Fragen der Nachhaltigkeit sensibilisiert ist und auf ein Gleichgewicht zwischen rein wirtschaftlichen Aspekten und sozialen und ökologischen Werten achtet. Auch wenn der erste Anstoß vom bewussten Verbraucher ausgeht, der durch die Äußerung neuer Bedürfnisse den Markt zwingt, sich seinen Anforderungen zu beugen, kann sich der Unternehmer „spontan“ dafür entscheiden, bei der Gestaltung seiner Geschäftsstrategie die Auswirkungen seines Handelns zu berücksichtigen. Denn ein Unternehmen kann nicht erwarten, dass es Interesse in der Gemeinschaft weckt, nur weil es als Nebeneffekt seines Gewinns Arbeitsplätze schafft. Auch reicht es heute, zumindest für den „intelligenten“ Verbraucher, nicht mehr aus, die von übergeordneten Stellen erlassenen Vorschriften einzuhalten. Die Unternehmer sind aufgerufen, weiter zu gehen. Das bedeutet nicht, die wirtschaftliche Nachhaltigkeit zugunsten „edlerer“ Ziele zu opfern, sondern die historische Kluft zwischen der finanziellen und der sozio-ökologischen Dimension einzugrenzen und Potenziale zu nutzen, die dem gesamten Ökosystem zugute kommen: In diesem Zusammenhang verwandeln die aufgeklärtesten Weinunternehmen die Geltendmachung von Ansprüchen in eine Chance und steigern so die Wettbewerbsfähigkeit eines Sektors, der Italien immer noch als einen der absoluten Protagonisten des Weltmarktes sieht.

Die Franciacorta war das erste italienische Weinbaugebiet, das sich mit einer Selbstüberwachungsmethode ausgestattet hat, um seinen ökologischen Fußabdruck zu überwachen, wohl wissend, dass die gesamte Produktionskette zur Emission von Treibhausgasen in die Luft beiträgt, sowohl die Arbeit im Weinberg, als auch die Tätigkeiten im Weinkeller und alle mit ihr verbundenen Verfahren. Allerdings ist es nicht der Agrarsektor, der die größten Auswirkungen hat, denn er hat einen wichtigen Vorteil: die Pflanzen binden während ihres Wachstums Kohlendioxid, so dass der Boden wie ein großes Reservoir wirkt, das Kohlendioxid zurückhält und so die globale Erwärmung verringert. Und die Steigerung der gebundenen Menge geht zwangsläufig über einen nachhaltigen Weinbau.

Die brescianer DOCG ist dem Aufruf gefolgt, zu dem alle Unternehmen des Sektors aufgerufen sind, nicht nur, um ihren Betrieben eine Zukunft zu sichern, sondern auch, um die Klimaveränderungen abzumildern, die die Gesellschaft als Ganzes immer stärker betreffen und negative Auswirkungen auf alle Arbeitsweisen haben werden. Da Bewusstsein allein weder für die Umwelt, noch für die Öffentlichkeit ausreicht, hat sie beschlossen, ihre Bewertungen auf objektive Maßnahmen zu stützen. Das Instrument, das diese Verpflichtung garantiert, ist der „Carbon Footprint“, d. h. die Gesamtemissionen der Produktionskette, ausgedrückt in Kohlendioxid-Äquivalenteinheiten. Das Hauptziel dieser Methode besteht darin, jedem Unternehmen verständlich zu machen, welches die Schritte im Produktionsprozess mit den stärksten Auswirkungen sind, sowohl um nützliche Strategien zur Verbesserung des Betriebs zu planen, aber auch, um seine Glaubwürdigkeit gegenüber einem immer anspruchsvolleren, internationalen Verbraucher zu erhöhen.

Der Italian Wine Carbon Calculator – kurz Ita.Ca® – entstand 2009 aus einer Kooperation zwischen dem Studio Agronomico Sata und dem Winemakers’ Federation of Australia, die zusammenarbeiteten, um den Italian Wine Carbon Calculator (der bereits weltweit anerkannt ist) unter der wissenschaftlichen Aufsicht der Universität Mailand an die italienische Produktionsrealität anzupassen. Der italienische Rechner basiert auf der Carbon-Footprint-Methode und unterteilt die Produktionskette in drei verschiedene Bereiche: Der primäre Fußabdruck ist eine direkte Messung der CO2-Emissionen aus fossilen Brennstoffen, einschließlich des internen Energieverbrauchs für den Transport, oder den Geschäftsbetrieb. Der sekundäre Fußabdruck ist ein Maß für die indirekten Emissionen, die durch die von externen Lieferanten bezogene Energie verursacht werden (z. B. Treibhausgase, die für den Betrieb von Heiz- oder Kühlsystemen entstehen). Der dritte Fußabdruck schließlich umfasst die Emissionen, die durch den gesamten Lebenszyklus der Produkte und Materialien entstehen, die während des Produktionszyklus gekauft und verwendet werden.

Unternehmen, die sich an diesen Maßstäben messen lassen wollen werden aufgefordert, Daten über die Realität des Unternehmens in eine Software einzugeben, von der Anzahl der genutzten Fahrzeuge, über den Kraftstoffverbrauch, bis hin zu den Produkten, die zur Bekämpfung von Krankheiten eingesetzt werden, und Angaben zur Wasser- und Abfallwirtschaft. Die Verarbeitung dieser Daten ermöglicht es, den Emissionswert, aufgeschlüsselt für die einzelnen Posten und für die einzelnen Bereiche, zu erhalten. Die Neuigkeit von Ita.Ca® im Vergleich zu anderen internationalen Rechnern besteht darin, dass es auch die Kohlendioxidbindung im Weinberg schätzt, um den Unternehmen eine echte Bilanz zu bieten, die zu einer kontinuierlichen Verbesserung der Leistung, bei Reduzierung von Verschwendung und Überschüssen anregt.

Der erste Bereich ist derjenige mit dem größten Verbesserungspotenzial, da die Bodenbewirtschaftung in den Weinbergen zweifellos von den Entwicklungen der Wissenschaft profitieren kann, um die schlecht kontrollierten chemischen Behandlungen zu reduzieren, die zur Verarmung des Ökosystems Weinberg führen. Hier stehen die Schutzkonsortien in der Verantwortung, die Verbreitung innovativer Techniken, oder auch einfacher Ratschläge, an die Weinbauern zu fördern. Ein Beispiel hierfür ist die einheitliche Verordnung für die nachhaltige Verwendung von Agrararzneimitteln, mit der die Winzer der Franciacorta sich restriktivere Regeln, als die geltenden Vorschriften auferlegt haben, indem sie bestimmte Arten von Pflanzenschutzmitteln (die gesetzlich zugelassen sind) ausschließen und strengere Kontrollen der Vertriebsqualität vorschreiben.

Der zweite Bereich erfordert, um verbessert werden zu können, eine nicht unerhebliche Anfangsinvestition: Die Einführung erneuerbarer Energiequellen ist, so strategisch richtig sie auch sein mag, kostspielig und erfordert recht lange Umsetzungs- und Abschreibungszeiten. Trotzdem steigt die Zahl der Unternehmen, die sich für die Installation von Solarmodulen entscheiden, weiter an, denn die Ausstattung mit verbrauchsarmen Technologien ist zwar erschwinglicher und sofort rentabel, aber auf lange Sicht nicht die effizienteste und vorteilhafteste Lösung.

Die größten Emissionen stammen jedoch aus dem dritten Sektor, dessen größter Schwachpunkt die Welt des Packaging ist, und zwar aufgrund der durch die Herstellung von Glasflaschen verursachten Auswirkungen. Obwohl dies der umweltschädlichste Prozess ist, ist es auch derjenige, für den das Unternehmen nur indirekt verantwortlich ist. Eine strategische Investition in die Erforschung neuer Verpackungsmethoden könnte langfristige Ergebnisse garantieren, allerdings zu recht hohen Kosten. Und die Lösung ist keineswegs einfach, wenn es darum geht, geeignete Behältnisse für Weine zu finden, die einen erheblichen Druck in der Flasche erzeugen. Die realistischste Alternative besteht darin, die Umweltauswirkungen der Glasproduktion zu verringern, indem, in Zusammenarbeit mit anderen Akteuren der Kette, Recyclingprojekte gefördert und die Reduzierung des Flaschengewichts vorangetrieben werden.

Der Ita.Ca®-Rechner, der auch dem GHGAP-Protokoll der Internationalen Organisation für Rebe und Wein (OIV) entspricht, trägt dazu bei, den Gedanken der messbaren und damit zuverlässigeren Nachhaltigkeit zu stärken. In der Hoffnung, dass der Weinsektor eines Tages mit Stolz behaupten kann, zur Verlangsamung der globalen Erwärmung beigetragen zu haben, und somit zu einem positiven Beispiel für das gesamte Wirtschaftssystem wird.

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